Freitag, 23. Juli 2010

Ungarn - Irland - Deutschland - Euro - DM - Gold

Er und die Wunderlampe
Die Zahl der Geldversteher hat sprunghaft zugenommen und mit ihr die Flut unsäglich dummer Pamphlete, unglaublich dreister Überredungsversuche und unheimlich beängstigender Katastrophenszenarien. 

Diese kritische Einleitung bezieht sich keineswegs nur auf das Internet, als den eigentlichen Tummelplatz der Verschwörungstheoretiker und Verführungskünstler, sie richtet sich ebenso an die Wirtschaftsredaktionen der Tageszeitungen und an die stets mit aufgesetztem Lächeln klug dreinredenden Börsenberichterstatter in Rundfunk und Fernsehen, explizit eingeschlossen dabei auch ARD und ZDF.

Wo Menschen Sicherheit suchen und Wissen abfragen wollen, finden sie obskure Heilslehren, aus den Fingern gesogene Kurzfristprognosen und eine alle Widersprüche mit Arroganz verkleisternde Expertenüberheblichkeit sondersgleichen.

In dieser so verworrenen Lage das Ende des roten Fadens zu finden, an dem gezogen werden muss, um das Verworrene zu entwirren und die Verwirrten zu befreien, scheint unmöglich. Der Wunsch, einfach mit dem Schwert draufzuhauen und den Knoten durchzuschlagen wird übermächtig - und...

Die beiden Seiten der Medaille werden sichtbar

Jostein Gaarder hätte seine Sofie (die aus Sofies Welt) womöglich ein Abenteuer erleben lassen, in dem sie, Sofie, mit einem kleinen, rosaroten Sparschwein aus Plastik, gefüllt mit 15 Norwegischen Kronen, vor einem Schaufenster steht, in dem ein neues, vermutlich vollkommen leeres, kleines rosarotes Sparschwein aus zartem Porzellan ausgestellt ist.

Irgendwie hätte Jostein Gaarder die Geschichte dann wohl so hingebogen, dass Sofie am Ende ein leeres kaputtes Plastiksparschwein und ein leeres, höchst zerbrechliches Porzellansparschwein nach Hause getragen hätte und der im Spiegel im Wohnzimmer wohnende Geist eines VWL-Professors hätte bei Sofies Vorübergehen geraunt:

"Aha, qualitatives Wachstum, jetzt also auch in Norwegen!"

Und wenn Sofie ihn dann gefragt hätte, wie er das meint, hätte er geantwortet:

"Kind, Kind! Wachstum ist, wenn in einem Betrachtungszeitraum mehr Geld ausgegeben wird als im Betrachtungszeitraum vorher - und qualitativ ist das Wachstum dann, wenn die Leute nicht mehr dafür bekommen haben, sondern mehr bezahlt haben, weil ihnen das, was sie bekommen haben, besser erschien."

Sofie hätte dann gefragt: "Ja, lieber Herr Professor Olaf Bungson, aber das Porzellanschwein geht doch viel leichter kaputt, als das Plastikschwein, wie kann es da besser sein?"

"Es ist besser, weil es kaputt geht. Denn nur was kaputt geht, muss ersetzt werden, nur so können jedes Jahr wieder neue Sparschweine verkauft werden, und nächstes Jahr gibt es dann sicher wieder die unzerbrechlichen Riesen-Plastiksparschweine - für 20 Kronen das Stück, was sie auch wert sind, weil sie einfach nicht mehr zerbrechen. Die Leute werden dann ihre Porzellansparschweine zerschlagen und vom Ersparten Plastiksparschweine kaufen. Dass es die schon einmal gab, für weniger als 2 Kronen das Stück, dass sie die, weil sie nicht zerbrochen sind, mit dem Küchenmesser ratzfatz aufgeschlitzt haben, das haben sie bis dahin vergessen - und die Werbung besorgt den Rest."

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, eingeladen, sich zu Gaarders neuer Geschichte konstruktiv kritisch zu äußern, hätte seinen Simplicius Simplicissimus aus der Tasche geholt und ihn sich denken lassen:

"Das ist ein sonderbares Ding! Da sind Menschen, die Sparschweine erfinden, Sparschweine herstellen und Sparschweine verkaufen - und da sind viele andere Menschen, die Sparschweine kaufen, kaputtmachen, kaufen, kaputtmachen, kaufen und kaputtmachen und wieder welche kaufen. Ein Teufelskreis völlig sinnloser Arbeit bei beiden. Die einen arbeiten, damit es Sparschweine gibt und die anderen arbeiten, damit sie Sparschweine kaputtmachen können. Wie schön faul könnten alle sein, wenn sie einfach nur die einmal hergestellten Sparschweine solange benutzen, bis sie von selbst kaputt- oder verloren gehen.

Hans Werner Sinn, mangels literarischen Schöpfers gezwungen, für sich selbst zu denken, springt flugs aus den Kulissen und warnt vor den schädlichen Wirkungen auf den von ihm geschaffenen und regelmäßig festgestellten Ifo-Geschäftsklima-Index und auf die Gefahr für die Arbeitsplätze und den Exportüberschuss und die Steuereinnahmen und die Beitragseinnahmen der Sozialsysteme und verweist natürlich auch auf das berühmte scheue, Du-weißt-schon-Was, dessen Name nicht genannt werden darf. Schrecklich wäre es, sollte die Sparschweinekonjunktur aufgrund solch törichter Überlegungen einbrechen, ohne dass der dabei wegfallende Umsatz durch andere Schweinereien wachstumsfördernd substituiert werden könnte

Simplicius denkt sich dabei, dass auch Prof. Sinn und die, die ihm immer wieder zuhören müssen, viel mehr Freizeit hätten, wenn das Geschäftsklima endlich von den Schwankungen des unsinnigen Spar-Schweine-Zyklus befreit wäre - und Sofie gibt ihm, aus einem Bauchgefühl heraus, recht.

Das war die eine Seite der Medaille: Menschen arbeiten, um Sachen herzustellen, die sie anschließend mehr oder minder sinnlos zerstören, weil sie sonst arbeitslos würden und kein Geld mehr hätten, sich alles das zu kaufen, was sie gleich darauf zerstören. 

Gleichzeitig klagen sie über die Arbeitsbelastung, den Stress und die fehlende Freizeit und das immer fehlende Geld, denn wenn sie mehr Geld hätten, könnten sie mehr kaufen und mehr kaputtmachen als die Nachbarn in ihrer Straße - denn es gibt ein ehernes Gesetz: Wer am meisten kauft und kaputtmacht, der ist der Größte und wird von allen anderen beneidet. Auf dieser so sonnigen Tagseite der Medaille spielt es keine Rolle, ob man mit Papiergeld oder mit Golddukaten bezahlt, ob man sich untereinander Gutscheine ausstellt oder sich in Tauschringen organisiert. 

Alle schuften und schwitzen in der Hitze des Tages, produzierend und konsumierend, schaffend und zerstörend, und bewegen doch nicht mehr, als das Hamsterrad aus Arbeits- und Freizeit, aus Mühe und Lohn, aus Leben und Sterben, das ihren Horizont gänzlich ausfüllt, so dass ihr Blick vom Vorübergehen der Stäbe so müd geworden ist, dass er nichts mehr hält, und ihnen ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. (Danke, Rainer Maria Rilke, für den immer wieder gut verwendbaren Panther!)

Kommen wir zur anderen Seite der Medaille:

Hier herrscht die von flackernden Öllampen mäßig erhellte Finsternis orientalischer Phantasien.

Scheherezade erzählt in eintausendundeins Nächten ihre Märchen - und in einem der bekanntesten, lässt sie die Hauptfigur dieser Anderwelt erscheinen, den Dschinnn.

Aladin, der nichtsnutzige Sohn des Schneiders Mustafa, hatte nichts gelernt und war immer halsstarrig, boshaft und ungehorsam geblieben. Es nimmt nicht Wunder, dass ein solcher Tunichtgut sich leichtsinnig auf einen "Deal" mit einem mächtigen afrikanischen Zauberer eingelassen hat, auch nicht, dass er diesen am Ende betrog und so selbst in den Besitz jener Lampe gelangte, in die der große und kräftige, mit allen Wassern gewaschene Dschinn verbannt war.

Aladin brauchte fortan nur ein wenig an der Lampe reiben, und der Dschin kam heraus und wartete auf Aladins Befehl.

Was auch immer Aladin sich wünschte, der Dschinn schaffte es herbei. Es schien, als schüfe er es aus dem Nichts.

Und so war Aladin, der Nichtsnutz und Tunichtgut, mit dem Besitz der Lampe und der Herrschaft über den ihr innewohnenden Geist befähigt, sich gegen die geringe Mühe, immer wieder einmal ein wenig an der Lampe reiben zu müssen, nicht leistungsadäquate Einkommen in jeder beliebigen Höhe steuerfrei zu beschaffen. Einkünfte, die ihm der Dschinn, der nichts selbst erschaffen konnte, außer Illusionen, überall auf der Welt in Windeseile zusammengestohlen hat.

Interessanterweise finden sich sogar im Koran Hinweise auf die Dschinn, die dort als böse Geister, als Teufel beschrieben werden, deren Berührung krank macht und den Geist verwirrt, und - man möchte sagen, folgerichtig - heißt es in der

Sura al-Baqqara 275:

Diejenigen, die Zins nehmen, werden (dereinst) nicht anders dastehen als wie einer, der vom Dschinn erfaßt und geschlagen ist (so daß er sich nicht mehr aufrecht halten kann). Dies (wird ihre Strafe) dafür (sein), daß sie sagen: "Kaufgeschäft und Zinsleihe sind ein und dasselbe." 

Aber Allah hat (nun einmal) das Kaufgeschäft erlaubt und die Zinsleihe verboten. Und wenn zu einem eine Ermahnung von seinem Herrn kommt (wie z.B. die, das Zinsnehmen zu unterlassen) und er dann aufhört (zu tun, was ihm verboten wurde), so sei ihm (belassen), was bereits geschehen ist! Und die (letzte) Entscheidung über ihn steht bei Allah.

Diejenigen aber, die es (künftig) wieder tun, werden Insassen des Höllenfeuers sein und (ewig) darin weilen.

(Wobei das Verbot der Zinsgeschäfte natürlich nicht nur im Islam vorkommt; der Koran ist allerdings die Quelle, die von den Anhängern ihrer Lehre noch am meisten ernst genommen wird.)

Michael Ende, hat mit Momo ein Werk geschaffen, in dem das Streben nach immer schnellerem, immer leichterem "zeitsparenderem" Leben, wie es letztlich durch das Zinsnehmen oder andere Formen nicht leistungsadäquater Einkünfte erreicht werden
kann, die gesamte menschliche Kultur zu zerstören droht.

Ende hat Zeit und Geld auf eine fantastische Weise gleichgesetzt und dabei nicht nur strenge Ermahnung, sondern auch die zarte Pflanze der 'Hoffnung auf Besserung durch Umkehr' zwischen die Zeilen gestreut.

Ach, wäre doch diese Saat schon aufgegangen!

Aber wie in Momos Geschichte erleben wir ringsum immer noch, dass ein Mensch nach dem anderen vom Dschinn berührt wird und die Welt, mit allem vermeintlichen Fortschritt, auf den Müllhalden unzähliger Plastik- und Porzellansparschweine immer grauer wird.

Das ist die andere Seite der Medaille.

Hier finden sich Menschen, die sich, ohne nennenswerte Arbeit, ohne selbst Sachen herzustellen oder sie zu erhalten, wie von Geisterhand jeden Wunsch im Nu erfüllen können, die sich mit wertvollen, langlebigen Dingen umgeben, die sich nach und nach immer größere Anteile der Erde aneignen, nur um andere davon auszusperren, um anderen damit die Nutzung des Bodens, der Pflanzen und der Tiere zu verwehren, so dass diese, nur um Leben zu können, nur um einen Platz auf dieser Erde ausfüllen zu dürfen, zu lebenslangem Frondienst gezwungen werden. 

Dabei klagen sie beständig darüber, dass die fast leistungslose Vermehrung ihres Reichtums vom Staat durch Steuern im Übermaß beeinträchtigt werde, und dass dem Erhalt des Geldwertes zu wenig Aufmerksamkeit und Anstrengung gewidmet würde, was sie leicht verleiten könnte, ihre Zelte anderswo aufzuschlagen. Denn es gibt ein ehernes Gesetz: Wer am meisten hat, und andere von der Teilhabe daran ausschließt, der ist der Mächtigste und wird von allen anderen untertänig verehrt. 

Auf dieser strahlend hell erleuchtenden Nachtseite der Medaille spielt es ebenfalls keine Rolle, ob man auf der Tagseite mit Papiergeld oder mit Golddukaten bezahlt, ob man sich untereinander Gutscheine ausstellt oder sich in Tauschringen organisiert. Dort hinten schuften und schwitzen sie in der Hitze des Tages, produzierend und konsumierend, schaffend und zerstörend, und treiben mit ihrem Rennen im Hamsterrad selbst das Förderband an, mit dessen Hilfe die Ergebnisse ihrer Mühen entschädigungslos in die Welt der Dschinn transportiert werden.

Wenden wir uns nun dem zu, was die beiden Seiten im Innersten zusammenhält

Ungarn hat jüngst beschlossen, seine Bürger im Hamsterrad nicht ganz so doll rennen zu lassen, wie es der IWF fordert. Der IWF hat das unmittelbar mit Sanktionen quittiert, was die Finanzierung des ungarischen Staatshaushalts nicht unwesentlich verteuern wird.

Irland, das wie viele andere europäische Staaten, gejagt von dem Nachtmar einer alles zerstörenden Währungskrise, die Schlagzahl im Hamsterrad gerade erst ordentlich erhöht
hat, ist zum Dank im Rating herabgestuft worden, was die Finanzierung des irischen Staatshaushalts nicht unwesentlich verteuern wird.

Deutschland, das als Lokomotive der EU seit Jahrzehnten ein Turbo-Hamsterrad betreibt, muss mit Staatsmitteln einspringen, um die Handelspartner ringsum am Leben zu halten, was trotz der anderslautenden Versprechungen die Staatsschulden immer weiter ansteigen lässt und damit die Finanzierung des Staatshaushalts nicht unwesentlich verteuern wird.

Der Staat steht also - das ist doch klar zu erkennen - in seiner Funktion als Staat überall auf der Welt ganz klar mit auf der Hamsterrad-Seite der Medaille.

Die Funktionsträger des Staates hätten es allerdings in der Hand, das Tempo des Rades zu bestimmen, das Volumen des Tranfsfers aus der Realwirtschaft in die Finanzwirtschaft zu bemessen, mit etwas gutem Willen, mit einer Spur von "Momo-Verstand" hätten sie sogar die Macht, das Loch vollständig zu schließen, den Dschinn wieder auf Jahrtausende in die Lampe zu sperren und Aladin ein sinnvolles Handwerk erlernen zu lassen, damit er sich selbst ernähren und zu einem nützlichen Glied der Gesellschaft werden könnte.

Mahatma Gandhi erkannte:

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.

Ein im Grunde trivialer Satz.
Ein Satz, bei dem sich die Frage nach seinem Wahrheitsgehalt jedem logisch denkenden Menschen im Nu erschließt.

Doch betrachtet man die Wirkung, die dieser Satz auf die Menschheit ausübt, so könnte man verzweifeln, wenn man erkennt, wie wenig logisch denkende Menschen bereit sind, daraus endlich die Konsequenzen zu ziehen.

Hallo, ihr Hamsterradantreiber, Du da - und Sie da, Ihr seid gemeint!

Ihr werdet um die Früchte eurer Arbeit betrogen. Der Dschinn stiehlt euch Zeit und Lohn!

Das geschieht unabhängig davon, ob ihr in den USA lebt und die Kosten für euren Lebensunterhalt in Dollar bezahlt, oder ob eure Vorfahren in Irland geblieben sind - und ihr eure Kartoffeln gegen Euro kauft und verkauft.

Es wäre nichts anders, hätte Deutschland noch die DM, wären die Währungen noch durch Gold gedeckt oder bestünden ausschließlich aus feingoldenen Münzen - am Prinzip der Ausbeutung ändert das nichts.

Geld, das Zahlungsmittel, kann jede beliebige Form annehmen, es wird im Ergebnis immer zu denen fließen und sich bei denen ansammeln, die ihren Dschinn auf Beutezug schicken.

Daran wird sich nichts ändern, solange nicht eine Mehrheit der Demokraten aufsteht und in einem ersten Schritt wenigstens damit beginnt, die steuerliche Begünstigung von Kapitaleinkünften zu beseitigen!

Wie klein wäre dieser Schritt, gegen den Versuch des Grafen Stauffenberg und seiner Freunde, der sich am Dienstag dieser Woche zum 66. Male jährte?

Sollte es nicht einfacher sein, eine einzige, offenkundige Ungerechtigkeit im Steuerwesen zu beseitigen, als eine schier allmächtige Diktatur, die das gesamte Leben des Volkes bis an die geheimsten Plätze durchdringt und bestimmt?

Und wenn die Ungerechtigkeit im Steuerwesen gar nicht so gering sein sollte, wenn es sich
dabei nur um die Spitze eines Eisbergs, um das unscheinbare Symptom einer schweren zehrenden Krankheit handeln sollte, wäre es dann nicht noch wichtiger, sich kraftvoll gegen die Ursache zu wenden und die gute Ordnung wieder herzustellen, die da lautet:

  • Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
  •  Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. 
  • Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
  • Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die Verteilungsseite der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gibt keine klare Auskunft über das Volumen der Einkünfte aus Zinsen, Dividenden und sonstigen Kapitalerträgen, aber es dürfte sich in Deutschland jährlich um Einkünfte in der Größenordnung von 400 bis 500 Milliarden Euro handeln, die allesamt (soweit sie dem Fiskus überhaupt bekannt werden) lediglich mit einer Abgeltungssteuer von 25% belegt werden.

Warum nicht bei der Abgeltungssteuer bleiben, aber die auf 60 Prozent anheben?

Das wären Jahr für Jahr runde 150 Milliarden extra für die Staatskasse. Damit könnte man Schulden tilgen - oder die Mehrwertsteuer vollständig abschaffen!

Wer nur geringe Einkünfte aus Kapitalvermögen hat, kann ja durchaus auch weiterhin im Rahmen der Einkommensteuererklärung Freibeträge und Werbungskosten dagegen geltend machen und so die Steuerbelastung der Erträge seiner Ersparnisse auf ein gerechtes Maß mindern.

Wem jedoch sehr viel mehr an nicht leistungsadäquaten Einkünften zufließt, dem dürfte von diesem unverdienten Segen im Grunde auch mehr als nur 60 Prozent genommen werden.

Aber noch wird das Kapitaleinkommen steuerlich privilegiert und sogar mittels staatlicher Notmaßnahmen erhalten, wenn es einmal zu schrumpfen droht.

Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier haben es zuletzt in aller Deutlichkeit vorgemacht.

Was war das denn sonst, die Abwrackprämie, die als Erfolgsmodell von Deutschland ausgehend, dann auch noch in vielen anderen Ländern eingeführt und gezahlt wurde?

Es war eine beschleunigte Vermüllung zur Vermeidung von Verlusten der Aktionäre der Automobilindustrie.

Die Leute hatten genug Autos und brauchten eigentlich nicht so viele neue. Vor allem konnten
und wollten sie sich die vielen überflüssigen neuen Autos nicht leisten. Es lohnt sich durchaus, einmal wenigstens einen halben Spaten tief in die Bücher eines Automobilkonzerns zu graben:

Volkswagen (der Konzern) hat 2009 mit 368.000 Beschäftigten bei eigenem Personalaufwand von 16 Milliarden Euro und Leistungen an Vorlieferanten in Höhe von 68 Milliarden Euro weltweit 6,05 Millionen Automobile hergestellt und einen Umsatz von 105 Milliarden Euro erzielt.

Unterstellt man in den Rechnungen der Vorlieferanten ähnliche Relationen, so waren an der
Produktion der 6,05 Millionen Automobile insgesamt weltweit wohl ungefähr 750.000 Menschen beteiligt.

Jeder einzelne davon hat also - rechnerisch - im Laufe dieses Jahres 8 Automobile produziert.

Die Brutto-Personalkosten, also einschließlich Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung
und eigenen Pensionsrückstellungen von VW und allen Vor- und Vor-Vorlieferanten dürften sich jedoch nur auf ungefähr 33 Milliarden Euro belaufen haben, was wiederum bedeutet, dass sich die Beschäftigten (einschließlich der von ihnen über ihre Steuern und Beiträge finanzierten staatlichen Stellen und der Empfänger der Leistungen der Sozialversicherungen)
von den 8 Autos, die sie produziert haben, nur drei selbst hätten kaufen können.

Die anderen fünf hat sich der Dschinn geholt.

Ohne die Abwrackprämie hätte er sich vielleicht nur vier holen können - und das prachtvolle Fenster im Palast des Aladin wäre nicht rechtzeitig fertig geworden.

Etwas weniger märchenhaft:

Durch die Schuldenaufnahme des Staates, durch die Auflösung von Guthaben mancher Autokäufer und durch die Kreditaufnahme der anderen Autokäufer wurde es ermöglicht, die Autoproduktion und den Autoabsatz so hoch zu halten, dass die Gewinne aus dem Automobilgeschäft nicht so weit sanken, wie sie sonst gesunken wären.

Sofie Musterfrau hat ihr altes Sparschwein samt Inhalt weggeworfen und ein neues, leicht zerbrechliches dafür erhalten, nachdem sie - vorher - unter unangenehmen Arbeitsbedingungen in einer schmutzigen, lauten und übelriechenden Fabrikhalle rechnerisch drei Porzellansparschweine produzieren musste. Und auch den Staatszuschuss, den sie für ein unausschlagbares Geschenk hielt, wird sie ganz allmählich über höhere Steuern zurückzahlen, weil der Staat seine Schulden bei denen zurückzahlen muss, von denen er sich die Kohle geliehen hat.

Nur, genau denen, von denen er sich die Kohle geliehen hat, ist genau diese Kohle schon vorher zugeflossen. Die Abwrackprämie ist nämlich ziemlich direkt in die Dividendenzahlung an die Automobil-Aktionäre umgewandelt worden.

Zum Schluss gekommen

Seit selbst der Dschinn Schwierigkeiten hat, den Wünschen und Begehrlichkeiten jenes unersättlichen Aladin zu dienen, ohne sich dabei aus dessen eigenen Schatzkammern zu bedienen, hat die Zahl der Geldversteher sprunghaft zugenommen,

Die Flut unsäglich dummer Pamphlete, unglaublich dreister Überredungsversuche und unheimlich beängstigender Katastrophenszenarien, mit denen wir - voller Angst vor dem sog. Staatsbankrott - von einem Bockshorn ins nächste Bockshorn gejagt werden sollen, ist kaum noch zu überblicken.

Wo Menschen Sicherheit suchen und Wissen abfragen wollen, finden sie obskure Heilslehren, aus den Fingern gesogene Kurzfristprognosen und eine alle Widersprüche mit Arroganz verkleisternde Expertenüberheblichkeit sondersgleichen.

Dabei ist die Tat bereits vollbracht.

Wir stehen unmittelbar vor dem Augenblick, an dem der Vorhang weggezogen, das Kunstwerk enthüllt und die Quittung präsentiert wird.

Da ist jetzt nichts mehr zu retten. Die Schulden sind gemacht und die Guthaben sind aufgehäuft.

Die Potentaten aus Tausendundeinernacht werden versuchen, uns zu erklären, dass wir und unsere Nachkommen ihnen auf ewige Zeiten zu dienen haben, weil alles, was wir haben, von ihnen nur geliehen ist - und weil sie sicher sind, dass wir niemals in der Lage sein werden, unsere Schulden abzutragen.

Wie kam es denn, dass wir den Banken hunderte Milliarden Euro und US-Dollar in den Rachen werfen mussten, um sie zu retten?

Wie konnte es denn kommen, dass sie jetzt fordern, wir müssten (absurd!) mit hunderten Milliarden Euro durch Aufblähung der Geldmenge die Währung vor Inflation und Niedergang retten?

Sie drohen uns, uns sonst nichts mehr zu leihen - und wir Armleuchter betteln darum, dass sie
uns doch wenigstens heute noch einmal das geben sollen, was wir ihnen heute schulden, weil wir ihnen doch wirklich keinen Ärger bereiten und immer pünktlich zahlen wollen.

Und sie? Sie wägen scheinheilig zögernd ab, fordern, dass wir sparen müssten, wenn wir ihr Vertrauen gewinnen wollten - und wir Armleuchter schwören heilige Eide, dass wir noch mehr sparen werden, an allem, was ihnen keinen Profit abwirft, obwohl wir produktiver sind, denn je zuvor, obwohl wir mit unserer Hände Arbeit schon lange weit mehr hervorbringen, als wir benötigen - und es auch genießen und nutzen könnten, wäre da nicht jenes scheue, Du-weißt-schon-Was, dessen Name nicht genannt werden darf...

Dabei wäre nichts einfacher, und vor allem vernünftiger, als das benötigte Zahlungsmittel in der notwendigen und richtigen Menge in jedem Staat selbst her- und bereitzustellen.

PS
Es ist nicht so, dass an unserem Geldsystem nichts geändert werden müsste, es ist auch
nicht so, dass das Geldsystem nicht einen ganz erheblichen Beitrag leistete, die Arbeit des Dschinn zu erleichtern, aber der eigentliche Fehler sitzt viel tiefer und verhindert zuverlässig die Umsetzung wirksamer Veränderungen.

Der eigentliche Fehler ist die absolute Unfähigkeit, aus der Erkenntnis, dass Egoismus, so nützlich er beim Blick auf den Einzelnen erscheinen mag, immer auch den Keim der Zerstörung der Gesellschaft in sich trägt, vernünftige Konsequenzen zu ziehen.

Egoismus lässt sich nicht ausrotten.
Es handelt sich dabei offenbar um eine der zentralen Strategien der Evolution.


Also sollte man sich mit dem Egoismus verbünden und ihm die Ziele so setzen, dass deren Erreichung stets mit einem Nutzen für die Gesellschaft verbunden ist.

Die Besteuerung von Einkommen und Vermögen ist ein Versuch in diese Richtung, doch wirkt
beides wie eine Bestrafung und trägt damit wenig zur Motivation bei.

Die zielgerichtete Subventionierung gesellschaftlich sinnvoller Projekte hingegen, hat jede Möglichkeit, dem Egoismus erstrebenswerte Ziele anzubieten.

Diesen Gedanken vorzubereiten, zu begründen und im Hinblick auf seine Realisierbarkeit
ein Stück weit auch detaillierter auszuführen, hat mich die Mühe gekostet, 321 Buchseiten zu füllen. Wenn Sie Lust haben, sich damit auseinander zu setzen, dann googeln Sie einfach einmal nach:

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